YG Entertainment stand früher doch mal für Hip Hop und Rap, sie schafften es diese Genres an die Massen zu bringen und in Korea beliebt zu machen. Doch hört man sich die letzten Veröffentlichungen von Se7en und Big Bang an, fragt man sich schnell, wo ist das alles hin? Und auch bei ihren neuesten Schützlingen 2NE1 ist das der Fall. Seit ihrem Debüt hat man gespannt auf ein erstes, richtiges Album gespannt gewartet und gehofft, es würde all das übertreffen, was 2010 bisher so rausgekommen ist. Und gut, sie toppen die Charts und To Anyone verkauft sich wie heiße Semmeln beim Bäcker, doch was steckt hinter dem Titel, der uns glauben lässt, jeder könne was damit anfangen?
"Wow" ist wohl das erste, was mir in den Kopf gekommen ist nach dem ersten Durchhören, ob es ein positiver Freudenschrei oder eher in die Richtung enttäuschtes Seufzen ging, ist mir selbst noch nicht bewusst. Es ist nämlich eine reine Achterbahnfahrt der Gefühle, zwischen "Halellujah" und "Oh Gott, was ist das bitte?!" kam alles mal vor.
Die Vier stechen natürlich durch ihr Auftreten allein derzeit in der K-Popszene hervor. Sie sind bunt, sie sind laut, haben Power und sind anders, und dennoch scheint es irgendwie als ob sie mit To Anyone in einem Pool gesprungen sind, den Pool der mit Autotune und Electrobeats vollgeladenen Lieder.
Was natürlich schade ist, denn die Mädels brauchen sich nicht hinter Synthesizern zu verstecken, ihre Stimmen überzeugen auch so. Wenn man aber all das einfach versucht hinzunehmen und daran denkt, dass Bom, Dara, CL und Minzy definitiv Talent haben und sich vor Augen hält, dass die Gruppe an einem internationalen Album mit will.i.am von den Black Eyed Peas arbeitet, kann man ihr neuestes Werk unter dem Aspekt betrachten: Ist es für die breite Masse geeignet und kann es sich im Westen zwischen all den etablierten Acts durchsetzen, wo die meisten noch glauben Asiaten seien brav, nerdig und eh alle gleich?
Ansätze für einen semi-erfolgreichen Durchbruch sind definitiv da. Bak su cho mit Reggaeton Einflüssen spricht auf jeden Fall dafür, erinnert es doch noch am ehesten an Hip Hop, vielleicht sogar an die Hohepunkte von Missy Eliott. Der Refrain geht ins Ohr und man bekommt Lust mitzuklatschen. Andere Lieder wie PLEASE DON'T GO schaffen dafür die Gratwanderung zwischen Hit und Flop nicht. Fast schizophren klingt der Song und man wird das Gefühl nicht los, dass der Refrain ganz und gar nicht dazu gehört. Nan Babba dagegen erinnert wieder an Daft Punks Technologic, das sich immer wiederholende "Nan babba" und der Electrobeat im Hintergrund lassen dies wie ein extrem Clubtaugliches Lied erscheinen, warum wohl klar ist, weshalb dieses nicht als eine der ersten Singles erschienen ist, obwohl es doch zu den besten auf dem Album gehört: Für das Radio ist es einfach, trotz ruhigerer Bridge, nicht geeignet.
Hervor sticht in diesem Einheitsbrei von Beats und Effekten Apa. Das ist richtiges Zucker für die Ohren, eine jazzige Ballade ganz ohne den Krimskrams welches vom Talent ablenkt. Mehr davon bitte, denn es reicht nicht nur zu wissen, dass sie es können. Wir wollen es doch auch genießen. Und Sarangun Ayaya gibt uns zwar nochmal eine gute Gelegenheit dazu, smooth, starker Gesang und flüssige Melodie, unterstrichen von tiefen Glocken, die dem ganzen das gewisse Etwas verleihen, ebenso Boms Solo YOU&I, dennoch scheinen beide recht austauschbar und sind eher nur die Ruhephasen in dem sonst recht hektischen Album.
Die Wohl besten Songs auf dem Album sind dann am Ende wohl das bereits vorher erschienene Nal ddara haebwayo, das nach Reggae und Hip Hop klingt, ja ich würde sogar sagen es erinnert an Lieder wie Music Monks von Seeed, und obwohl der Gesang definitiv bearbeitet wurde, ist die Melodie an sich nicht ganz so vollgepackt mit elektronischem Piepsen, sodass es wirklich Spaß macht zuzuhören.
Doch wir reden ja immer noch darüber, dass die Gruppe auch versuchen will, international Erfolgreich zu sein und dazu fehlt uns noch ein Weltklassehit. Den könnte man mit Go Away vielleicht gefunden haben. Er strahlt Power aus und fließt einfach so natürlich, das man kaum etwas daran auszusetzen hat. Wer gerade eine Trennung durchmacht und keine Lust auf All by myself von Eric Carmen hat, dreht bei dem Song am besten laut auf und zeigt den Männern dieser Welt wo der Hammer hängt. Im Video wird der besungene Herzschmerz aber im selben Atemzug auch das Selbstbewusstsein und die Frauenpower die der Song so gut rüberbringt von Leaderin CL ja auch allzu gut und deutlich aufgezeigt.
Und hier haben wir auch warum 2NE1 so hervorstechen. Sie sind jung, sie sind weiblich, sie sehen gut aus, aber sie lassen sich nicht in die Zuckerwatte Schublade packen wie viele andere Girlgroups und trauen sich auch zu Fluchen und Sachen zu sagen wie "You ain't shit without your crew". Badass einfach.
Es ist kein schlechtes Album und es trifft auch den Nerv der Zeit. Seit ihren ersten Veröffentlichungen schien auch öfter mal die Abwechslung aus ihren Liedern hervor, doch noch tritt man ein wenig auf einer Stelle und nicht ganz vorwärts. Es wird Zeit, dass die Popszene endlich dem Autotune den Rücken kehrt und vielleicht werden wir hinsichtlich 2NE1s Zusammenarbeit mit will.i.am positiv überrascht werden. Die englische Version von Can't nobody lässt hoffen, wird in der Weltsprache fehlerfrei gerappt und gesungen. Der Track könnte jetzt schon praktisch bei uns rauf und runter laufen.
Ihr erstes Full-length Album To Anyone ist also zwar kein Meisterwerk und 'für jeden' ebenso wenig, Spaß macht es dennoch und Lieblingslieder kann man darunter auch finden.