Interview mit Die von DIR EN GREY

Das Elysée Montmartre liegt an einem steilen Hang zwischen dem Sacré Coeur und dem böhmischen Boulevard de Rochechouart, im Herzen des trennenden Pariser Rotlichtviertels. Es ist ein majestätisches Gebäude mit einer strengen Flachrelieffassade und einem jahrhundertealten Ballsaal, der den Stil Gustave Eiffels deutlich erkennen lässt. Der Geburtsort des französischen Cancan war einst eines der wichtigsten kreativen Zentren der Stadt, in dem eine Vielzahl renommierter europäischer Künstler der postnapoleonischen Ära zu Gast waren.

Heutzutage wird das Elysée Montmartre wieder lebendig, wenn auch mit einer anderen Kunstform, die nicht weniger störend ist, als die Übertretungen, die ihr einst ihren Namen gaben. Denn der Elysée gehörten immer die Wagemutigen, die Sünder und die Außenseiter an. Beim Verlassen des Absinth, der Rüschen und der leuchtenden Farben, wird der Ton gröber und unheimlicher.

Hinter der Bühne, ganz im Unterbauch des Ballsaals, saß der Gitarrist Die an einem Kantinentisch mit der olympischen Ruhe eines Menschen, dem ausverkaufte Konzerte in fremden Ländern nicht fremd sind. Er ist ein Mann weniger Worte, sparsam in seinen Bemerkungen; aber er sprach über seine Erfahrungen in Europa mit einem liebevollen Lächeln im Gesicht, leicht gezeichneten Zügen, die sich lösten, als er Einblicke in den kreativen Prozess von DIR EN GREY gab, in die Emotionen, die sie versuchen, ihren Fans zu vermitteln, und was Metal-Musik für ihn bedeutet.

Heute ist das Finale der europäischen Tournee THIS WAY TO SELF DESTRUCTION. Möchten Sie ein paar Worte über diese sagen?

Die: Sicher. 2018 waren wir das letzte Mal in Europa. Dieses Jahr begannen wir diese Tournee mit einer Show in Russland und heute Abend ist unsere allerletzte Show hier in Frankreich. An jedem Veranstaltungsort wurden wir von vielen, vielen Menschen begrüßt. Alle hießen uns unglaublich herzlich willkommen. Es war eine großartige Tournee.

Uns ist aufgefallen, dass die Setliste dieser Tournee hauptsächlich aus Liedern Ihres letzten Albums, "The Insulated World", besteht. Der Klang des Albums wurde als außergewöhnlich heavy und weniger melodisch als Ihre vorherigen beschrieben. Was sind Ihre Gedanken dazu? War diese schwerere Stimmung beabsichtigt?

Die: Nun, als wir mit der Arbeit an "The Insulated World" begannen, war es unser Ziel, alle Regeln, alle Ketten zu brechen. Den Fuss vom Pedal rutschen zu lassen, verstehen Sie, was ich meine? Alles, was uns zurückgehalten hatte, wollten wir loswerden. Es ist kein rein mechanischer Vorgang und es geschieht sicher nicht nur auf musikalischer Ebene. Es ist viel komplexer als das.

Als wir mit der Arbeit am künstlerischen Konzept begannen, kamen für uns einige spezifische Ideen auf, die wir mit diesem Album teilen wollten. Und der Weg dorthin bestand darin, mit einer reinen Weste zu beginnen sowie intuitiv, offen und ohne zu viel nachzudenken vorzugehen. Abgesehen davon, finde ich persönlich "The Insulated World" im Vergleich zu einigen unserer älteren Alben nicht besonders heavy. Der Klang sollte so sein, wie er herauskam, aber es war ein gut durchdachter Prozess.

Wenn wir von schweren Melodien sprechen, sieht man DIR EN GREY oft als "eine Art Metal" beschrieben. Sie sind bekannt für Ihre dunklen Themen, für diese ganz eigene düstere Atmosphäre, die während Ihrer gesamten Karriere die Form eines Leitmotivs annahm. Das Album "The Insulated World" ist ein gutes Beispiel dafür. Und doch folgen Ihnen die Menschen seit Jahren, en masse, in Japan und in der ganzen übrigen Welt.

Sie behaupten, dass DIR EN GREYs Musik sie durch harte Zeiten getragen habe und versammeln sich heute hier mit einem Lächeln auf dem Gesicht, begierig darauf einen Platz in der vorderen Reihe zu ergattern. Würden Sie sagen, dass selbst die härtesten Formen des Metals dennoch ein positives Element in sich tragen können?

Die: Ja, absolut. Unsere Texte haben viele dunkle Elemente, das ist sozusagen unser Markenzeichen. Aber sehen Sie, was wirklich zählt, ist das, was danach kommt. Nach dem Sturm, sozusagen. Es ist leichter zu verstehen, wenn man sich anschaut, was während Live-Konzerten passiert. Wir können viele beunruhigende Gefühle ausgraben, einige werden die dunkelsten sein, die der Mensch kennt. Es ist eines unserer Hauptthemen, das ist sicher, aber die Katharsis, die danach kommt, ist der Silberstreifen, nach dem sich die meisten von uns so verzweifelt sehnen.

Wir können viele beunruhigende Gefühle ausgraben, einige von denen, die dunkelsten uns bekannten. Etwas Positives, eine Art Licht, wie Sie es ausdrücken. Außerdem sind wir sehr vorsichtig, wie das Publikum auf die einzelnen Lieder reagiert. Wir stehen nicht einfach nur da, spielen traurige Lieder und gehen dann nach Hause. Nein. Wir beobachten, wie die Leute reagieren, wir interpretieren, was wir sehen. Zu sehen, wie unsere Musik aufgenommen und wahrgenommen wird, ist für uns sehr wichtig.

Und was sind Ihre wichtigsten Inspirationen: Gibt es ein persönliches Element in den Liedern von DIR EN GREY? Schreiben Sie über Ihre eigenen Erfahrungen im wirklichen Leben, oder tun Sie das indirekt, durch die Emotionen, die Sie durch Bücher, Filme, andere Musik usw. aufnehmen? Wie halten Sie diesen beeindruckenden kreativen Fluss aufrecht?

Die: Nun, Inspiration, Inspiration... (er zögert) Das ist eigentlich eine sehr schwierige Frage. Ich kann nicht wirklich eine bestimmte Quelle der Inspiration für uns herauspicken. Mit DIR EN GREY streben wir immer danach, etwas zu schaffen, was noch nie zuvor getan wurde. Wissen Sie, wenn Sie sich diese neue Band anhören und denken: "Oh, ihre Musik erinnert mich an so und so"? Nun, genau das wollen wir vermeiden. Deshalb neigen wir dazu, unsere Inspirationen zu filtern.

Wir fangen oft mit etwas recht Komplexem an und der gesamte Prozess ist eher eine Rationalisierung, eine Vereinfachung, bis wir sie auf ein Album tun können, das die Leute hören wollen. Ich würde sagen, dass dies der Kern unserer Arbeit ist, wenn wir versuchen, etwas Neues zu schaffen: Dinge aufbrechen, den Schnickschnack weglassen, vereinfachen, bis wir etwas haben, das wie DIR EN GREY klingt.

Hören Sie selbst viel Dark-Metal-Musik? Oder sind Sie auch offen für andere Genres?

Die: Eigentlich höre ich alles, was ich auf Apple Music finde. Ich höre mir gerne Neuerscheinungen an, es macht mir wirklich Spaß zu sehen, wie manche Bands und Künstler im Laufe ihrer Karriere reifen. Manche verändern sich wirklich sehr stark, andere bleiben sich immer treu. Das ist es, was ich wirklich interessant finde.

Was ist mit europäischen Bands, gibt es welche, die Ihnen besonders gut gefallen?

Die: Europäische Bands, na ja... oh ja, da ist Dagoba! Wir spielten das erste Mal mit ihnen hier in Paris im Jahr 2015. Sie sind eine sehr kraftvolle Band, ihre Musik ist wirklich aggressiv. Was andere Bands betrifft, können Sie mir gerne neue empfehlen!

Und unsere Leser werden Ihnen sicher helfen, eine gute Playlist zusammenzustellen! Zu guter Letzt, hatten Sie schon Gelegenheit, Paris zu besuchen? Was meinen Sie dazu?

Die: Sicher, ich war schon oft in Frankreich, aber es war das erste Mal, dass ich den Hügel bis hinauf zum Sacré Coeur erklommen habe. Von dort oben hat man diesen wahnsinnigen Blick auf die Stadt, ich habe es geliebt. Übrigens mag ich auch das französische Brot, die Baguettes, sehr gerne. Ich weiß, dass sie für euch Einheimische eine wirklich alltägliche Sache sind, aber glaubt mir, sie sind köstlich!

JaME möchte sich bei Die, dem Management von DIR EN GREY, Veryshow Productions und der Tourmanagerin/Dolmetscherin Nora für dieses Interview bedanken.