Zumindest ein kleiner Teil von X Japan hat es zum versprochenen Termin nach Europa bzw. nach Deutschland geschafft. Pata’s Band Ra:IN spielte am 26. Juni in der Werkstatt in Köln.
Die Menge war beschaulich, ebenso wie die Location selbst. Ein kleiner Club, eine winzige Bühne. Hier sollte also wirklich gleich die Band einer Legende der japanischen Rockmusik auftreten? Auf einer Bühne, die vermutlich dreimal in ein durchschnittliches Wohnzimmer gepasst hätte, sollte wirklich einer der beiden Gitarristen von X Japan stehen?
Bevor über das Konzert berichtet wird, sollte erst einmal etwas klar gestellt werden: Das auf der Bühne sollte nicht als ein Viertel (heutzutage ein Fünftel) von X Japan angesehen werden, sondern als Ra:IN - eine eigenstände Band, die zufälligerweise einen ziemlich berühmten Leadgitarristen hat.
Leider sahen das die meisten Fans weniger so. X Japan Shirts, hide Cosplayer? Viele waren wohl auch nicht gewappnet für den Sound der Band, für dieses Gefühl von Rock and Inspiration.
Jetzt soll nämlich für alle erklärt werden: Ra:IN sind keine durchschnittliche Rockband. Vielleicht sind sie das schon, aber ihnen fehlt ein ganz wichtiges Attribut: Sie haben keinen Sänger. Es kann bei ein oder zwei Liedern passieren, dass es Texte oder gesungene Passagen gibt, aber das sind die großen Ausnahmen. Ra:IN machen Musik - pure Musik - und versuchen so, ihre Botschaft rüberzubringen.
Bevor man sich aber daran gewöhnen musste, gab es auch eine Vorband. Zamzam Banshee hatten einen normalen – wobei normal ein dehnbarer Begriff bleibt – Sänger und normale Musiker. Glamrock, irgendwas zwischen 80er und 90er MelodicRock, irgendeine angenehme Mischung, gut gelaunte Bandmember und jede Menge Stimmung wurden geboten, so wie man das eben von einer guten Vorband erwartet.
Mit "Free“ eröffneten Ra:IN schließlich ihren Teil des Abends. Dass Pata rein größentechnisch super auf die Bühne passte, tat der Wirkung seines Auftritts keinen Abbruch. Egal ob im Tokyo Dome oder auf einer kleinen Bühne aus Holzbrettern, dieser Mann wirkt. Trotzdem stellte er seine Bandkollegen keineswegs in den Schatten. Die Riffs von "Free“ sagten viel. Von 'wir sind Ra:IN‘ über 'so hören wir uns übrigens an‘ und 'nein, wir singen nicht dazu, wir brauchen das nämlich nicht‘.
Beim nächsten Song "Crying“ wurde die perfekte Symbiose zwischen den elektronischen Klängen aus Die’s Keyboards und den Instrumenten von Pata, michiaki und Tetsu deutlich. Minutenlange Gitarrensoli mischten sich mit eingespieltem, verzerrtem Gesang.
Als Drittes wurde mit "Metal Box“ das gleichnamige neue Album der Japaner vorgestellt. Das Stück klang melodiös, es gab Orchesterklänge, die die Musik der Band fast schon dominierten und überspielten, aber es gab auch Passagen, in denen man nur den reinen, puren Klang dieser Band genießen konnte.
Mit "Under the Technopolis“ wurde der Sound ein bisschen rauer, ein bisschen härter und spätestens jetzt wurde den meisten Neulingen im Zuschauerraum klar, dass die da oben ein bisschen anders sind, als die typischen japanischen Rockbands.
Erstaunt musste man außerdem feststellen, dass sogar Bandmitglieder, die ihre 40er schon lange erreicht haben, kreischende Fangirls haben. Leider war die Werkstatt ein bisschen zu klein und sowieso schon im Keller, weswegen sich das im-Erdboden-Versinken irgendwie erledigt hatte.
Nach "Signal“ folgte mit "Ballroom in Spaceship“ ein weiterer Song vom aktuellen Album "Metal Box“. Ähnlich wie beim Opener arbeitete die Band mit vielen eingespielten Instrumenten, der Sound erinnerte eher an die experimentierfreudigen 70er Jahre, an Jimi Hendrix und andere psychedelische Rockmusik als an den Glamrock der 80er.
"Indicator to the future“ erinnerte ebenfalls an den Opener "Free“, gewisse Melodien, gewisse Riffs zogen sich durch die Lieder und durch die Show wie ein roter Faden, brachten den Fans immer wieder einen Anhaltspunkt und die Band immer wieder in perfekten Einklang.
"Wish“ war der letzte geplante Song. Ein ruhiger Anfang wurde durch eine unglaubliche Kraft in eine dynamische Hymne, in einen treibenden Rocksong verwandelt, bei dem jedes der Bandmitglieder noch einmal zeigen konnte, was mit "Rock and Inspiration“ wirklich gemeint ist.
Die Band gab eine Zugabe, und dann noch eine zweite, bevor sie sich verabschiedeten. Alle machten einen sehr zufriedenen Eindruck, sogar die Fans, die vielleicht vor dem Auftritt noch gar keine waren.
Ra:IN sind eine zwanglose, natürliche Band, die ihre Art von Musik mit einer Selbstverständlichkeit und einer Energie an den Mann bringen, die keine Wünsche offen lässt. Sie sind nicht unnahbar oder die typische, vom Management abgeschirmte japanische Rockband. Sie sind Musiker, die sich Zeit nehmen für eine besondere Art von Musik und für die Liebhaber derselben - und nach der Show außerdem für die Autogrammwünsche der Fans.
Und wann hat man schon mal die Möglichkeit, dem Gitarristen von X Japan die Hand zu schütteln? Es ging ja hier nicht um Pata. Okay, vielleicht ein bisschen.