Interview

Interview mit ZENI GEVA

08/09/2009 2009-09-08 15:38:00 KoME Autor: Jerriel, Shadow-X & Fox Übersetzer: Laura

Interview mit ZENI GEVA

Die legendäre Hardcore Band ZENI GEVA sprach mit uns über ihre aktuelle Tour, Tatsuya Yoshidas (Ruins) Comeback am Schlagzeug und die Soloarbeiten der einzelnen Mitglieder.


© Jeremy Corral
Zur Rückkehr ZENI GEVAs nach Europa hießen uns Kazuyuki Kishino (KK. Null), Mitsuru Tabata und Tatsuya Yoshida, wenige Stunden vor ihrem Konzert in Paris, zu einem entspannten Treffen willkommen.

Ihr feiert nun nach fast 7 Jahren euer Comeback. Welche Gefühle habt ihr bezüglich dieser Tour?

Kazuyuki Kishino: Das ist eine schwierige Frage. Wir hatten eigentlich eine Europatour für 2007 geplant, aber traurigerweise starb meine Mutter plötzlich, gerade als wir im Begriff waren zu starten. Ich habe die Tour und die ganzen Daten abgesagt. Ihr Tod hat mich sehr getroffen und ich habe eine Weile gebraucht, um darüber hinwegzukommen. Und als ich mich in der Lage fühlte, zu ZENI GEVA zurückzukehren, hatten wir diese Möglichkeit, eine Tour zu machen, weiterhin. Unser vorheriger Schlagzeuger war ein bisschen unwillig, was die Konzerte anging, also musste ich einen neuen finden. Und plötzlich hatte ich diese Idee: Yoshida ist es, den wir brauchen! (lacht) Ich hatte bereits vor einigen Jahren mit ihm gespielt, mit den Bands YBO² und Geva², also warum nicht ein weiteres Mal? Durch Zufall waren wir, während einer Show in Tokio 2008, Teil desselben Sets. Während ich solo spielte, war Yoshida mit Keiji Haino dort und ich ging rüber, um mit ihm zu sprechen. Als ich ihn fragte, ob er mit ZENI GEVA spielen wollte, antwortete er: "Warte kurz...ja!" (lacht) So ist es passiert. Jetzt bin ich sehr froh und optimistisch, was ZENI GEVAs Zukunft anbelangt. Wir haben noch keine neuen Songs aufgenommen, da wir gerade erst die Band neu geformt haben. Aber selbst, wenn wir noch unsere alten Songs spielen, sie klingen anders, dank Yoshidas Arrangements und Improvisationen. Es ist, als ob wir etwas Neues machen würden.

Auf ZENI GEVA wirken sehr unterschiedliche Einflüsse. Haben die Schlagzeuger, mit denen ihr gespielt habt, jedes Mal eure musikalische Identität verändert?

Kazuyuki Kishino: Nein, das glaube ich nicht. Das Herz meiner musikalischen Identität ist immer noch dasselbe. Sicher, unsere verschieden Schlagzeuger haben uns neue Einflüsse gebracht, im Bezug auf die Struktur von Musikstücken oder die Arrangements zum Beispiel, aber die Wurzeln bleiben unberührt.

Heißt das, dass du, Kazuyuki, die meisten der Songs komponierst?

Kazuyuki Kishino; Ja, das ist korrekt.

Einige eurer Alben wurden von Steve Albini produziert, der auch mit euch bei mehreren Kompositionen gespielt hat. Wann und wie habt ihr ihn getroffen?

Kazuyuki Kishino: Das muss 1990 gewesen sein, glaube ich. Zu dieser Zeit lebte ein Amerikaner in Osaka, der ein kleines Label mit dem Namen Public Bath gegründet hatte. Er war ein großer Fan von Big Black. (lacht) Aber er unterbreitete uns den Vorschlag, unsere Alben von Steve Albini aufnehmen zu lassen, daher sagte ich mir: "Warum nicht!" Also gingen wir mit ihm in dieses Aufnahmestudio in Chicago.

Wir würden uns gerne etwas über eure Jugend unterhalten. In welchem Alter hast du angefangen, dich für Musik zu interessieren und was hast du zu dieser Zeit gehört?

Kazuyuki Kishino: The Carpenters und The Beatles haben mein Interesse für westliche Musik geweckt, als ich 10 oder 11 Jahre alt war. Später waren Pink Floyd einer meiner größten Einflüsse - diese Band hat wirklich mein Leben verändert. 1980, als ich 19 war, ging ich noch London, um die Wall Show zu sehen. Das war mein erstes Mal im Ausland. Davor hatte ich niemals die Idee, Musiker zu werden. Es interessierte mich eher, Poet oder Schriftsteller zu werden. Aber nachdem ich Pink Floyd gesehen hatte... Wow! (lacht) Die Musik war so kraftvoll. Es war eine wirklich körperliche Erfahrung, jenseits von Wörtern oder Sprache. Es war das, was ich tun wollte! Dann fing ich an, Bass zu lernen, aber es hat nicht wirklich funktioniert. (lacht) Ich war wirklich schlecht darin, Akkorde zu lernen und habe aufgegeben. 1981 oder 1982 besuchte ich Fred Firths erstes Konzert in Tokio. Er legte seine Gitarre auf einen Tisch und warf Dinge auf die Saiten. Die Klänge waren sehr schön. Das war etwas Neues für mich, wir alle dachten, wir müssten Akkorde und Tonleitern lernen. Aber hier, nichts von Alldem! Es ging einfach darum, Krach zu machen und Spaß zu haben. Es war fantastisch. Und ich sagte mir selbst, dass ich das könne. (lacht) Dann habe ich angefangen, auf die gleiche Weise Gitarre zu spielen.

Eben meintest du, dass du Poet werden wolltest. Was hast du damals gelesen?

Kazuyuki Kishino: Als Teenager habe ich es geliebt, französische Autoren zu lesen, wie Arthur Rimbaud, Verlaine, Mallarmé und andere - der Symbolismus! Ich liebte auch Le Cléziot.

Du hattest eine sehr produktive Karriere, nicht nur als Solokünstler, sondern auch in verschiedenen Kollaborationen. Beschert dir die Rückkehr zu einer Bandstrukur eine gewisse Art Stabilität?

Kazuyuki Kishino: Ja, so arbeite ich gerne, mit einer Art von Balance. Aber ich will immer mehr, also würde ich gerne beides machen.(lacht)

Zahlreiche und bedeutende Rock oder Noise Bands wurden in Japan in den 80ern und 90ern gegründet. Zu Beginn eurer Karriere, habt ihr da irgendeine Art musikalischen Aufbruch gespürt?

Kazuyuki Kishino: Ich glaube, dass Japan innerhalb dieses Zeitraum großen Einfluss vom englischen Alternative erhalten hat. Japan ist ein Land, in dem es sehr einfach ist, alle möglichen Informationen aus dem Ausland zu bekommen. Wir können uns jetzt die ganze Punk-, Progressive-, Techno- und Industrial-Musik anhören, egal, aus welcher Ära sie stammt. In Tokio können wir einfach das, was wir suchen, im Plattenladen kaufen. Wir haben Zugang zu einer Menge Dinge. Du kannst finden, was du möchtet, was auch immer dein Geschmack ist. Der in Japan Indies genannte Trend startete in den 80ern. (zeigt auf Tatsuya Yoshida und Mitsuru Tabata) Und ich denke, wir sind im Herzen dieses Trends. (lacht) Mit Bands wie YBO²Ruins, Boredoms... Wir waren wirklich innovativ zu dieser Zeit. (lacht)

Wie hat das Publikum diese Bands aufgenommen?

Kazuyuki Kishino: Es war ein sehr spontaner Trend. Wir haben uns nicht nach etwas Bestimmtem gesehnt. Es war eine Generation von Musikern, die auf instinktive Weise arbeiteten. Ich glaube, das war es, was die Leute wollten, auch wenn es damals, wie heute, Untergrund ist. Aber uns wurde in keiner Weise Ablehnung entgegengehalten. Alle waren sehr empfänglich für unsere Musik.

Denkt ihr, dass das heutige Publikum noch an diesem Trend interessiert ist?

Kazuyuki Kishino: Ich bin mir nicht sicher, ob die Jüngeren sich noch dafür interessieren. (dreht sich zu den anderen um und fragt sie auf Japanisch) Und ihr, was denkt ihr über die aktuelle musikalische Situation in Japan?

Mitsuru Tabata: Es gibt jetzt zu viele junge Leute, die Musik machen wollen. Und wir befinden uns jetzt in einer komischen Situation: Denn diejenigen, die auftreten wollen, müssen bezahlen, um in Konzerthallen spielen zu können.

Kazuyuki Kishino: Ich persönlich denke nicht, dass dies ein speziell japanisches Problem ist. Es ist etwas Allgemeineres. Dank dem Internet haben wir jetzt Zugriff auf alle möglichen Informationen, Musik, was auch immer. Man kann einfach keinen Unterschied machen zwischen der momentanen musikalischen Situation in Japan oder der in Frankreich. Es ist ein komplexeres Problem.

Heutzutage sind die Leute nicht mehr in der Lage, einen bestimmten Musikstil zu schätzen. Sie holen sich irgendetwas irgendwo her, ohne genau zu wissen, was sie da hören.

Kazuyuki Kishino: Ja, das ist es. Sie kümmern sich nicht darum, in Erfahrung zu bringen, wo die Musik, die sie hören, herkommt. Es ist, als ob sie in einem Conbini (Kaufhaus) wären. (lacht) "Oh, heute probiere ich das mal; ich glaube, ich esse das hier." (lacht)

Verkörpert die als Experimental bezeichnete Musik irgendetwas besonderes für dich?

Kazuyuki Kishino: Für mich gibt es keine Kategorien oder Klassifizierungen. Ich mache einfach, was ich machen möchte. Ich sage mir nie: "Okay, ich werde Noise oder experimentelle Musik machen." So bin ich einfach. (lacht)

Tatsuya Yoshidas Rückkehr zu ZENI GEVA, ANPs Wiedergeburt und Maximum Money Monsters Neuveröffentlichung, sind alles Ereignisse, die plötzlich die Vergangenheit zurückbringen. Ist das Zufall oder das ernsthafte Bestreben, zu den Wurzeln zurückzukehren?

Kazuyuki Kishino: Alles davon ist einfach so passiert, durch Zufall. Ich habe Seijiro Murayama 2001 zufällig in Paris getroffen und wir beschlossen, ANP wieder aufleben zu lassen. Ich gab ein Konzert und er kam, um mich Backstage zu treffen. "Hallo! Du da!" (lacht) Es war zwanzig Jahre her, dass wir den Kontakt verloren hatten und er tauchte einfach plötzlich wieder auf. Es war komisch.

Lasst uns auf eure künftigen Projekte zu sprechen kommen. Können wir auf ein neues ZENI GEVA Album in absehbarer Zukunft hoffen?

Kazuyuki Kishino: Ja, das hoffe ich.

Mit Tatsuya Yoshida?

Kazuyuki Kishino: Ja, natürlich. Aber wir werden sehen. Wir hatten vor der Tour noch keine Zeit, zusammen ins Studio zu gehen. Wenn wir zurückkommen, hoffe ich, dass wir einander näher kommen, musikalisch und persönlich.

Wir haben eine Frage an Mitsuru Tabata. Du hast vor gar nicht so langer Zeit im Webzine Jrawk angekündigt, dass du Soundtracks für Horrorfilme komponieren möchtest. Hattest du seitdem die Möglichkeit, dies zu tun?

Mitsuru Tabata: Ja, ich nehme momentan ein Horror Musik Album auf.

Für einen Film?

Mitsuru Tabata: Nein. Wir stellen uns den Film nur vor.

Kazuyuki Kishino: Ich habe auch eins gemacht. Mein Album, "Akumu", was Alptraum bedeutet, ist der Soundtrack zu einem imaginären Film.

Kazuyuki, elektronisches Experimentieren wird ein wichtiger Teil deiner Soloarbeit, wie zum Beispiel bei "Akumu". Verspürst du manchmal den Wunsch, zum rohen und organischen Sound zurückzukehren, den dir ZENI GEVA geben kann?

Kazuyuki Kishino: Ich finde, dass meine elektronischen Sounds bereits organisch sind. Ich habe nie geglaubt, dass meine Musik digital oder mechanisch sei.

In der Tat, da sind auch noch die Außenaufnahmen, die du in deine Alben miteinbringst. Welche Plätze schätzt du für diese Art von Arbeit?

Kazuyuki Kishino: Ich hatte bis jetzt noch keine großen Erfahrungen darin, Außenaufnahmen zu machen, aber ich liebe Australien, um natürliche Klänge aufzunehmen. 2006 besuchte ich den Kakadu Nationalpark in Nordaustralien und habe die Umgebung aufgenommen. Ich war einfach vollkommen verblüfft. Ich konnte der Symphonie der Natur lauschen. Kein Bedarf an irgendwelchen Drogen. (lacht) Es ist, wie zu den Wurzeln zurückzukehren und zur gleichen Zeit ein sehr kosmisches Gefühl.

Hat es dich jemals interessiert, solche Aufnahmen in einer urbanen Umgebung zu machen? Zum Beispiel in Tokio, mitten in der Stadt, im Verkehr...

Kazuyuki Kishino: Nein, ich hasse künstliche Klänge, wie diese aus Autofabriken. Ich habe manchmal Geräusche in den Tokioter Vororten aufgenommen, als ich dort gelebt habe. Vor zwanzig Jahren gab es dort noch nicht so viele Häuser und Anwohner wie heute. Du konntest die Natur sehr deutlich wahrnehmen, die Bäume, die Vögel, die wilden Tiere. Aber jetzt sind dieselben Plätze überbevölkert. Es gibt dort hauptsächlich Fabriken oder Geschäfte. Natürlich gibt es immer noch ein paar Orte mit Grün, wo ich versuche, die singenden Vögel aufzunehmen, aber es ist sehr schwierig. (imitiert den Klang eines Autos, lacht dann) Manchmal schaffe ich es immer noch, einige interessante Augenblicke einzufangen. Eine Mischung aus natürlichen und künstlichen Klängen. Wenn ich genug Glück habe, so etwas aufzunehmen, verwende ich es. Wie Vogelgesang vermischt mit Fabrikgeräuschen. Solche Dinge mögen unverhofft klingen, aber manchmal geschehen sie ganz plötzlich. Das Wichtigste ist, zu entscheiden, ob das Gehörte interessant ist oder nicht. So etwas passiert jeden Tag, sicherlich, aber wenn du ihm keine Aufmerksamkeit widmest, ist es einfach nur Hintergrundgeräusch.
Aber wenn du genau hinhörst und es interessant findest, bekommt es eine besondere Bedeutung. Das ist es, was ich an Außenaufnahmen mag, sie können nicht perfekt sein. Es passiert immer etwas Unerwartetes.

Diesen Aspekt deiner Arbeit kannst du nicht kontrollieren.

Kazuyuki Kishino: Ja - das ist es, ich kann es nicht kontrollieren. Das ist es, was ich interessant und auch unterhaltsam finde.

Wir möchten Jean-François von Instants Chaviré und natürlich Kazuyuki KishinoMitsuru Tabata und Tatsuya Yoshida danken, dieses Interview möglich gemacht zu haben.
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