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Globalisiertes Visual Kei: Ausschnitte aus Interviews mit Musikern

13/11/2011 2011-11-13 12:33:00 KoME Autor: Meg Pfeifle (Phelan) Übersetzer: Geisha

Globalisiertes Visual Kei: Ausschnitte aus Interviews mit Musikern

Im sechsten Teil der Artikelserie über die Globalisierung des Visual Kei berichtet JaME über die Erfahrungen von Musikern, die in der Szene oder als Mitglieder in Visual Kei-Bands gearbeitet haben.


© Lydia Michalitsianos
Während der Recherche für diese Artikelserie hatte ich die Gelegenheit, einige Musiker zu interviewen, die entweder selbst in Visual Kei-Bands oder mit Musikern zusammen gearbeiten haben, die in dieser Szene mitgemischt haben. Hier sind einige Ausschnitte aus diesen Interviews.

Kaytea Miyagi


Die Bassistin Kaytea Miyagi, die einige Jahre lang sowohl in den USA als auch in Japan aufgetreten ist, konnte während ihrer Zeit bei moko aus erster Hand Erfahrungen mit Visual Kei sammeln. Nach ihrer Abeit mit dieser Band schrieb sie weiterhin Texte für andere japanische Bands und spielte in der Tokyoer "Yankee Rock"-Band 4649 [yoroshiku].

Warum wird Visual Kei in der japanischen Gesellschaft generell in einem negativen Licht gezeigt?

Kaytea: Das ist zwar reine Spekulation meinerseits, aber ich denke das kommt größtenteils daher, dass Visual Kei gerade das ist: visuell. Es ist ein Genre, das sich nicht in erster Linie über Musik definiert. Und ich denke, dass "echte" Musikkenner es als einen Haufen Jungs in Makeup sehen, für die Musik nicht das Wichtigste ist, obwohl viele Visual Bands eine musikalische Ausbildung haben. Visual Kei wird ähnlich beurteilt wie Idol Bands, die sich aufgrund ihres Aussehens anstatt ihrer stimmlichen Fähigkeiten verkaufen. Ich denke, Visual Kei wird mehr als Übergangsgenre gesehen, sprich: es ist normal, dass 13-20 jährige Mädchen es mögen, aber wenn diese Fans erwachsen werden, dann "graduieren" sie und gehen zu einem passenderen Genre über.

Wann hat sich Visual Kei deiner Meinung nach zu Neo-Visual Kei entwickelt?

Kaytea: Ich denke, DIR EN GREYs Auftritte in den USA hatten viel damit zu tun. Die Bands, mit denen sie aufgetreten sind, waren in jeder Hinsicht das völlige Gegenteil von gängigen Visual Kei Lineups in Japan. Sie standen Fans von anderen Bands gegenüber, die sie während der ersten Konzerte der Tour ausbuhten, aber schließlich wurden sie nicht nur als japanische Visual Kei-Band anerkannt, sondern auch als Band, die ein amerikanisches Publikum handhaben konnte - also nicht das typische Convention-Publikum. Als Mainstream-Musik und die Visual-Szene miteinander kollidierten, öffnete das meiner Ansicht nach die Tür für andere Künstler.

Warum denkst du ist Visual Kei trotz seiner rapiden Globalisierung in den vergangenen zehn Jahren weltweit eine Subkultur geblieben?

Kaytea: Ganz ehrlich, während der visuelle Aspekt und der Musikstil in den vergangenen zehn Jahren akzeptabler geworden sind, hält die Sprachbarriere meiner Ansicht nach die Szene noch immer davon ab, wirklich erfolgreich zu sein. Außerdem ist es eine sehr japanische Szene und trotz ihrer Popularität kann sie nur bis zu einem gewissen Grad von ausländischen Fans imitiert werden, bevor sie nicht mehr Visual Kei ist sondern mehr traditionell Goth, Punk und so weiter wird. Deshlab wird Visual Kei immer sehr japanisch blieben, egal wie beliebt es außerhalb von Japan wird. Das macht ein Teil seines Reizes aus.

Warum hast du dich dafür entschieden, in einer Visual Kei Band anstatt einer regulären Rockband zu spielen?

Kaytea: Obwohl ich nicht sagen würde, dass ich mich speziell dafür entschieden habe, in einer Visual Kei-Band zu spielen, waren sowohl der Musikstil als auch der Look etwas, das mich zu der Band hingezogen hat, in der ich dann mitgespielt habe. Es gefiel mir, sowohl eine sehr technische als auch eine sehr theatralische Seite zu haben. Jeder, der genug übt, kann ein Instrument gut spielen, aber es gehört eine andere Art von Können dazu, sich als ein spezifisches Wesen zu präsentieren, und das ist es letzten Endes, was die Fans zu dir hinzieht, ob dir das gefällt oder nicht.

Kannst du uns von der Zeit erzählen, als du in einer in einer Visual Kei Band warst?

Kaytea: Ich war zur rechten Zeit am rechten Ort und lernte einen sehr bekannten Visual Kei Gitarristen kennen. Er stellte mich einem Freund von sich vor, der eine neue Band zusammenstellen wollte. Als ich die Musik zum ersten Mal hörte, war ich hin und weg. Es war nicht der typische Visual Kei Sound... da war auch amerikanischer Rap Rock drin und ich wollte sofort mitmachen. Damals war es sehr selten, Ausländer, vor allem eine Frau, in einer Visual Kei Band zu haben und es stand viel auf dem Spiel. Denn viele Visual Kei Fans können sehr besitzergreifend und nachtragend sein, wenn Frauen mit im Spiel sind. Ich hatte als Teenager hauptsächlich Gitarre gespielt und obwohl ich mich schon vor meinem Beitritt am Bass versucht hatte, hatte ich keine Vorstellung davon, wie weit unten ich anfangen musste oder wie viel ich üben musste, um als akzeptabel genug angesehen zu werden, damit ich auf der Bühne stehen und spielen durfte. Meine Vorstellungen von dem Genre änderten sich sehr, denn hier waren echte Musiker am Werk... Leute, die es wirklich verdienten, so genannt zu werden. Meine Hände haben vo, vielen Üben geblutet!

Von 2003 bis 2004 bin ich ein paar Mal mit ihnen in Tokyo und Nagano aufgetreten, aber schließlich hielten mich Probleme mit meinem Visum davon ab, im folgenden Jahr mit der Band zu arbeiten. Und obwohl sie auf meine Rückkehr gewartet haben, beschlossen wir kurz vor ihrem Major-Debüt in gegenseitigem Einvernehmen, getrennte Wege zu gehen. Wir sind immer noch in Kontakt und ich unterstütze sie uneingeschränkt, aber natürlich gibt es Momente, in denen ich mich frage, was gewesen wäre wenn... Sie sind so erfolgreich, sowohl in Japan als auch weltweit, und es wäre interessant gewesen, wie die Reise gewesen wäre, wenn wir zusammen geblieben wären. Ich wünsche ihnen alles Gute.

Wurdest du von Fans oder anderen Bandmitgliedern (Japanern oder Ausländern) dafür kritisiert, als Ausländer in einer Visual Kei Band zu spielen?

Kaytea: In Japan hat es mir viele Türen geöffnet und ich konnte auf verschiedenen Gebieten mit unterschiedlichen Künstlern arbeiten. Es gab nur dann Probleme, wenn die fanatischeren Fans einer der früheren Bands eines Mitglieds mich gesehen haben... es gab Gerüchte und Fotos wurden gehackt und auf japanischen Message Boards gepostet, was einen ziemlichen Wirbel verursachte, obwohl ich längst das Land verlassen hatte!

Die meisten ausländischen Fans haben entweder nicht geglaubt, das ich etwas mit besagter Band zu tun hatte, oder dass ich mit X oder Y geschlafen habe, um in die Band zu kommen. Das tat am meisten weh, denn ich habe sowas nie gemacht und hatte mehr Blut, Schweiß und Tränen in die Band investiert als in irgend etwas anderes zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben. Ich hatte den richtigen Look und die richtige Einstellung und bin zum richtigen Zeitpunkt der richtigen Person begegnet. Einfacher geht es wirklich nicht.

Was war das Frustrierendste daran, in einer Visual Kei Band zu sein?

Kaytea: Dass man mir gesagt hat, ich solle eine Diät machen, obwohl ich so dünn war wie nie zuvor! Das ist typisch für die Unterhaltungsbranche: "die Kamera legt 10 Pfund drauf", "du brauchst die Kraft, um es irgendwie durch eine dreistündige Show zu schaffen" und mein persönlicher Favorit "wir wollen, dass du so fit bist wie Britney Spears". Zusätzlich dazu, dass ich pro Tag 4-6 Stunden allein im Studio geübt habe, bin ich außerdem noch früh aufgestanden und drei Stunden lang im Fitnesstudio verbracht. Und ich musste mein Gesicht verhüllen wenn ich zu den Konzerten von Major Visual Kei Bands gegangen bin. Mich zu verstecken hat mir das Gefühl gegeben, etwas Schlimmes zu tun, obwohl das nicht der Fall war. Aber es gab Probleme, wenn ich auf dem Konzert einer Band gesehen wurde, die bei der Konkurrenz unter Vertrag war, wenn Fans die falschen Vorstellungen bekamen... alles mögliche. Ich konnte nur noch selten Konzerte genießen und das war immer meine Leidenschaft gewesen. Auf einmal ging es nur noch darum, im VIP-Bereich zu sitzen und während einem Konzert gelangweilt dreinzuschauen.

Kannst du uns etwas über die "hässlichen" Sachen erzählen, die sich hinter verschlossenen Türen in Bezug auf Bands, Management und so weiter abgespielt haben?

Kaytea: Du kannst mir glauben, dass sich viel hinter verschlossenen Türen abgespielt hat. Während ich aus Japan weg war, hatte ich geheiratet, und ich hatte den Mitgleidern meiner Band Bilder von der Hochzeit geschickt. Obwohl es einer der schönsten Tage meines Lebens war, bekam ich Kommentare wie "wow, Kaytea ist aber fett geworden. Sie sollte lieber abnehmen bevor sie zurück kommt oder sie fliegt raus" zu hören. Der Chef des Managements meiner Band sagte mir außerdem, dass ich ersetzbar sei und in den USA bleiben und in einer Mädchenband "wie Joan Jett" spielen solle, als ich ihn auf einer amerikanischen Veranstaltung für einen anderen Künstler der selben Firma traf.

Nachdem ich die endgültige Entscheidung getroffen hatte, auszusteigen, wurde meine Existenz in der Band vollkommen ausgelöscht. Andere japanische Supportmitglieder mussten das nicht durchmachen. Auf einmal wurde ich wie ein schwarzes Schaf behandelt und bis zum heutigen Tag wissen nur Leute, die mich entweder selbst auf der Bühne gesehen oder es von Leuten, die mit der Band zu tun haben, gehört haben, wie die Band ursprünglich entstanden ist. Ich erwarte nichts, aber ich denke Geschichte ist Geschichte und es war traurig, dass das, was ich mit ihnen aufgebaut habe, mir so schnell weggenommen wurde. Aber das ist alles Teil des Arbeitsvorgangs.

Wie erfolgreich waren die meisten diener Events? Was war dein erfolgreichstes Event?

Kaytea: Als ich in der Band war, waren wir noch in der Aufbauphase und konnten nur wenige Songs anbieten, also spielten wir kleine Konzerte, wo nicht zu viele Leute waren, die uns kannten. Auf unser letztes Konzert kamen 40 Gäste - unsere Gästeliste war immer länger als die wirkliche Anzahl der Leute, die uns kannten - aber auf dem letzen Konzert, das wir zusammen hatten, haben wir im Roppongi Y2K vor etwa 300 Leuten gespielt. Spiky (ex-Gacktjob) spielte zufällig auf dem selben Event und aus irgendeinem Grund waren wir schließlich Headliner. Ich nehme an, es war ein glücklicher Zufall! Die meisten Leute schlossen sich anderen Mitgliedern der Band an.

Hast du etwas Spezielles von anderen japanischen Bands oder japanischen Veranstaltern darüber gelernt, wie man eine erfolgreiche Visual Kei Band wird? Gibt es etwas, das westliche Veranstalter deiner Meinung nach wissen sollten?

Kaytea: Sich gut benehmen. Skandale haben den selben Einfluss auf Visual Kei Bands wie auf Pop Idols, die keine Freundinnen/Freunde haben dürfen. Man sieht nur sehr selten Fotos von einem Fan mit einer berühmten Visual Kei Band in Japan im Internet, aber Fotos, die auf Events im Ausland aufgenommen wurden, sind ganz normal. Ich denke, im Ausland wird das anders gehandhabt, aber ich war überrascht, als ich massenweise Fotos von gewissen US-Veranstaltungen im Internet gesehen habe. Ich denke das Wichtigste ist, dass westliche Veranstalter gute Dolmetscher für die Bands, die auf ihren Events spielen, anheuern. Jemand, der sich mit Anime auskennt, aber nicht in der Lage ist, genaue Informationen in einer fremden Sprache zu übermitteln, ist ziemlich nutzlos!

Hast du eine Message für deine Fans?

Kaytea: Danke an alle, die mich auf meinem Weg in das komplexe Universum der japanischen Musikindustrie, sowie bei meiner Arbeit mit [a]narchy nach meinem Ausstieg bei moko, unterstützt haben!

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Mr. A


Mr. A hat in verschiedenen Rock-Genres in der japanischen Musikszene gearbeitet, einschließlich Visual Kei. Heute ist er noch immer in der Szene aktiv, nimmt jedoch nicht mehr an Visual Projekten teil.

Beruht ein Teil der Beliebtheit einer Band auf Sex Appeal? Warum?

Mr. A: Ich glaube schon. Viele meiner Freunde und Bandkollegen hatten "Freundinnen", die ihnen Geld und Geschenke gegeben haben, damit sie mit ihnen schlafen. Ich hatte nie welche, weil mein Image weniger "mädchenhaft" war sondern mehr Manson-artig verrückt. Wollte ich eine? Klar! Ich habe Leute gefragt, ob sie mich verkuppeln können, aber es wurde nie etwas daraus.

Warum entscheiden sich Bandmitglieder dafür, in einer Visual Kei-Band zu spielen, anstatt in einer regulären Rockband?

Mr. A: Bei uns war das glaube ich so, da wir in einer Zeit gelebt haben, in der Visual Kei einen Eindruck auf Japan gemacht hat, weil X JAPAN so beliebt waren. Ich persönlich habe mich für Visual Kei entschieden, um anders zu werden (im Sinn von eine andere Persönlichkeit). Es gab mir die Gelegenheit Dinge zu sagen, die ich normalerweise ohne Makeup nicht sagen würde, und das hat meinem Selbstvertrauen sehr geholfen.

Warum hören viele Visual Kei Bands auf, Kostüme und Makeup zu tragen, wenn sie Major sind?

Mr. A: Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht hängt es ihnen zum Hals raus oder sie wollen mehr verkaufen. Ich habe aufgehört, weil die Konzerthallen in denen wir aufgetreten sind keinen Schminkraum hatten und ich es satt hatte mein Makup im Auto zu machen. Zugegebenermaßen wirkt Visual Kei extrem einschüchternd auf die breite Masse, also stehen die Chancen darauf, gut zu verkaufen, besser wenn man sich auf ein anderes Publikum ausrichtet.

Was denkst du darüber, dass Visual Kei ein gobales Phänomen wird, anstatt eine japanische Undergroundszene zu bleiben?

Mr. A: Ich finde es gut. Es ist japanische Kultur und wenn andere Leute sich dazu entschließen, ihre eigenen Visual Kei Bands zu gründen, dann verbreiten sie diese Kultur. Das ist eine gute Sache, aber ich mag es nicht, wenn sie ihr Aussehen dazu benutzen, um von ihrer Unerfahrenheit abzulenken.

Wird Visual Kei jetzt, da es weltweit immer mehr akzeptiert wird, auch in Japan eher anerkannt werden? Warum?

Mr. A: Das glaube ich nicht, weil Japaner viel Wert auf die äußere Erscheinung legen. Beispielsweise werden Tätowierungen immer noch als Erkennungsmerkmal für organisierte Verbrecher angesehen und wenn du eine Tätowierung hast, dann kannst du nicht in ein öffentliches Schwimmbad gehen. Auch wenn du nur eine einzige Tätowierung hast und kein Krimineller bist, ist der blosse Anblick von jemandem mit einer Tätowierung in den Augen vieler Leute kein gutes Zeichen.

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girugamesh


girugamesh sind eine beliebte Visual Kei Band, die mit ihrer Musik aus Hard Rock, Elektro und neuerdings auch Pop und Rap die Welt im Sturm erobert hat. Wir trafen die Band während ihrer jüngsten US-Tour und die folgenden Kommentare stammen aus dieser Unterhaltung, sowie aus früheren Diskussionen zum Thema Visual Kei, die wir mit ihnen hatten.

Lasst uns jetzt mal über Visual Kei reden. Viele Fans scheinen sich nicht sicher zu sein, ob Visual Kei in erster Linie Underground oder Mainstream ist. Was denkt ihr als Visual Kei Band darüber?

ShuU: Die Unterteilung in Indies und Major gibt es auch in Japan. Als wir uns als Musiker etabliert haben, war es unser Hautpziel im Musikgeschäft berühmt zu werden. Als wir jünger waren, war unser Traum, im Fernsehen vor Zuschauern zu erscheinen und solche Sachen. Ich weiß nicht, wie manche Leute das aufnehmen werden, aber wir hoffen, eines Tages mehr Mainstream zu werden. Im Augenblick ist Visual Kei aber noch größtenteils Underground.

Einige Fans haben kürzlich gesagt, dass ihrer Meinung nach Künstler wie Lady Gaga und Tokio Hotel nur einige von vielen Musikern sind, die den Visual Kei Stil nachmachen. Was denkt ihr darüber?

ShuU: Lady Gaga ist in Japan sehr beliebt und in den Charts vertreten, aber ich habe von deutschen Visual Kei Fans gehört, dass sie den Look von Tokio Hotel in Frage stellen. Das Gute daran ist, dass sie andere Länder visuell beeinflussen.

Sind diese Künstler eurer Meinung nach Visual Kei?

ShuU: Lady Gaga... ist anders. Hmm.
Satoshi: Ja, es ist anders...
ShuU: Sie ist nicht Visual Kei. Tokio Hotel sind von Visual Kei beeinflusst, aber sie sind in Japan noch nicht populär, insofern lässt es sich schwer beurteilen.

Ist Visual Kei eurer Meinung nach ein spezifisch japanischer Stil?

(Die Bandmitglieder diskutieren untereinander.)
ShuU: Visual Kei begann mit Bands wie KISS und dem Einfluss von Marilyn Mansons Glam Rock-Makeup. Wenn Leute Bands in anderen Ländern als Visual Kei bezeichnen, dann wird es sehr schwer, das zu unterscheiden.

In letzter Zeit gab es auch Debatten darüber, ob Visual Kei eine eigenständige Musikszene ist oder ein Modestil des J-Rock. Was denkt ihr?

ShuU: Mode vielleicht. (Nii nickt.) Die Musik selbst gehört manchmal zu anderen Genres wie J-Rock oder J-Pop, also denke ich, dass es Mode ist.

Als wir euch 2009 interviewt hatten, sagte ShuU, dass Visual Kei in Japan noch immer diskriminiert wird, und dass ihr das ändern wollt. Hat sich eurer Meinung nach daran etwas geändert?

ShuU: Es gibt immer noch viele Vorurteile gegen Visual Kei. Zum Beispiel ist Marilyn Manson in den USA ein sehr beliebter Künstler mit vielen Fans, aber die Mehrheit der Leute hält ihn für sehr seltsam. Genauso verhält es sich mit Visual Kei. Aber ich habe immer noch einen sehr starken Willen, diese Sichtweise mit unserer Musik zu ändern.

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Milkjamjuice


Milkjamjuice ist eine Sängerin, die in nichtvisuellen Bands an der Seite von Visual Kei Künstlern aufgetreten ist. Außerdem hat sie Visual-Musikern bei ihren Nebenprojekten geholfen und dadurch einen guten Einblick in die Szene erhalten.

Warum entscheiden sich Bandmitglieder dafür, in einer Visual Kei Band zu spielen, anstatt in einer regulären Rockband?

Milkjamjuice: Weil man mit Visual Kei auf schnellem Weg eine Kultgemeinde aufbauen und Fans anziehen kann, die viel Geld für die besagte Band ausgeben. Keine andere Fangemeinde ist so fanatisch und treu und deshalb dazu bereit, viel Geld und Zeit auf Bands oder Bandmitglieder zu verwenden. Viele Visual Kei Musiker sind entweder bereits Hosts oder wollen welche werden und haben ein Talent dafür, irgendeine "Möglichkeit" zu versprechen, was die Fans dazu bringt, mehr zu wollen. Diesen Fans wird dieses Versprechen angeboten und sie erhalten ein klein wenig mehr Aufmerksamkeit je mehr sie in die Band investieren. Erfolgreiche Visual Kei Musiker wissen wie man dieses Spiel spielt. Mach die Fans süchtig, befriedige sie... aber lass sie dann immer nach mehr hungern. Aber Geschäft ist Geschäft. Sich auf eine persönliche Beziehung mit Fans einzulassen kann oft katastrophale Folgen für diese Beziehung haben. Nummer eins, man freundet sich mit dem Fan an (negative Folge: der Fan investiert kein Geld mehr in die Band). Nummer zwei, der Fan wird deine feste Freundin (was das Ende einer Mitsu-Beziehung oder das Ende der Band bedeuten kann). Nummer drei, der Fan nimmt es dir übel (also ebenfalls kein Geld mehr). Also schrecken Bandmitglieder normalerweise davor zurück, "zu" vertraulich zu werden.

Kannst du uns von ein paar negativen Erfahrungen berichten, wenn du ein Kostüm getragen oder Freunden, Kollegen und deiner Familie von deinem Job erzählt hast?

Milkjamjuice: Das Negativste war die Ablehnung meiner Familie. Meine Familie sieht Musik nicht als vollwertigen Beruf an, sondern als ein destruktives Hobby meinerseits. Jedesmal wenn ich mit meiner Mutter spreche fragt sie mich "Hast du endlich aufgehört, zu spielen?" Ich hatte zuvor ein sehr schlimmes Zerwürfnis mit meinem Senpai und deshalb lehnen meine Eltern Musik ab. Aber jetzt, fast zwei Jahre später, kommen mein Senpai und ich uns wieder näher, obwohl wir noch immer auf rohen Eiern gehen. Das ist eine Seltenheit in der Tokyoter Szene. Normalerweise werde Leute, die in dieser Szene anecken, von ganzen Musikergemeinden geschnitten.

Freuen sich die meisten Visual Kei Bands darüber, wenn ausländische Fans auf ihre Konzerte kommen, oder gibt es Berührungsängste? Warum oder warum nicht?

Milkjamjuice: Visual Kei Bands lieben ausländische Fans. Sie sind ein Statussymbol. Wenn man ausländische Fans hat, bedeutet das "jemand anders ist auf uns aufmerksam geworden!" Japanische Fans nehmen das meistens übel und schneiden ausländische Fans wenn diese sich nicht nach den super strengen Bangya-Regeln richten. Auch wenn sie sich danach richten, werden ausländische Fans fast nie dafür belohnt und dürfen beispielsweise "Saizen" sein, also in der ersten Reihe zu stehen. Die beste Art und Weise mit japanischen Bangya gut auszukommen ist Japanisch zu SPRECHEN, die Stimmung einzuschätzen, die Bangya-Kultur zu beobachten, an "Uchiage" - also Trinkparties - teilzunehmen und dann eine sichtbare Anstrengung zu unternehmen, sich mit japanischen Bangya anzufreunden. Gyao, also die Jungs, haben generell nichts gegen ausländische Fans und man kommt daher viel besser mit ihnen aus. Natürlich sind die Einstellungen je nach Szene und Band unterschiedlich.

Hast du zum Abschluss noch irgendwelche Gedanken oder Erfahrungen, die du mituns teilen möchtest?

Milkjamjuice: Es würde mich nicht überraschen, wenn 1) Visual Kei entweder so gut wie ausstirbt, oder 2) sich in den nächsten Jahren sehr drastisch verändern würde. Mit der beschissenen wirtschaftlichen Situation sind die früher sehr verfügbaren Einkommen versiegt. Immer weniger Leute können es sich leisten, 500 Yen* pro Stück für Polaroidfotos oder Nippes von ihren Lieblingsbandmitgliedern auszugeben. Visual Kei wird sich grundlegend verändern müssen oder es wird aufgrund seiner zügellosen Natur aussterben.
*500 Yen sind ca. $6.50 oder EUR 4.70. (Anm.: Abweichend vom Original, da an tagesaktuellen Kurs angepasst.)

JaME bedankt sich bei allen Musikern, die sich für diese Artikelserie zu Interviews bereit erklärt haben.

Im nächsten Teil...


...erforscht JaME die Verbindung von Visual Kei und Anime sowie die Funktion von Animeconventions im Lauf der Jahre.

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[1]Kaytea Miyagi, Email-Interview mit der Autorin, 8. März 2011.
[2]A-san, Email-Interview mit der Autorin, 1. März 2011.
[3] "Interview with Girugamesh in Fairfax, Virginia", JaME, 29. April 2011,
"Interview with Girugamesh in in Saint Petersburg, Russia", JaME, 25. Mai 2009
[4]Milkjamjuice, Email-Interview mit der Autorin, 19. April 2011.
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